8. Oktober 2013

Das normative Dreiecksverhältnis


Das normative Dreiecksverhältnis

Normalerweise kennen Wir einen Begriff und sein Gegenteil, sie sind streng voneinander zu unterscheiden, so beispielsweise bei der Benennung von Liebe und seinem Gegenpart dem Hass. Doch die Natur der Dinge verschiebt sich, und bildet dabei eine höchst ideale Struktur der Gegebenheiten, sodass sich Dreiecksverhältnisse bilden. Ein solches Dreigestirn bietet die Bezeichnung der Liebe, der Gleichgültigkeit und des Hasses, dabei kann die Gleichgültigkeit ebenso wie der Hass das genaue Spiegelbild von Liebe darstellen. Die Gleichgültigkeit umschreibt den affektlosen Zustand in Bezug auf eine Sache, also ohne ein jeweiliges Empathiegefühl zu haben, welches der Liebe in unverkennbarer Weise nahesteht. Die Liebe ist eine mit dem Glücksempfinden verbundene Emotion, wenn die Liebe seitens des Geliebten erwidert wird. Aber ist gibt auch Fälle der hoffnungslosen, abgewiesenen Liebe, wobei der Liebende Kummer, Trostlosigkeit und Elend verspürt. Ihm ist scheinbar nicht zu helfen, der Liebende ist mit seinen Seelenschmerz auf sich allein gestellt, und steht vor unüberwindlichen Mauern. Liebe, das ist die Fähigkeit etwas Positives zu fühlen, die Empathie kennzeichnet den Minimalzustand gefühlsmäßiger Erregung, als den Keimpunkt der Liebe sozusagen. Aus der Empathie heraus kann sich Liebe entfalten, indem verstärkt freudige Gefühle der Umwelt gegenüber ausgestrahlt werden. Bei der Gleichgültigkeit hingegen fehlt dieses Motiv auf ganzer Linie, die Gleichgültigkeit ist dergestalt wertneutral, als das Fehlen gefühlsmäßiger Erregung es indifferent erscheinen lässt. Die Gleichgültigkeit ist in ihrem Bestreben sogar nachlässig, untendenziös, ausdruckslos und kühl, was auf ihren negativen Charakter schließen lässt. Der Mangel an Gefühl konstituiert die Gleichgültigkeit gleichermaßen. Der Hass ist eine negativ behaftete Emotion mit einer destruktiven Komponente. Die vom Hass Getriebenen sind in ihrer Zerstörungskraft dermaßen wirksam, dass sie sich von nichts und niemanden von ihrer befallenen Wut abbringen lassen können. Hass ist wohl das stärkste, vernichtend geprägte Gefühl. Gleichgültigkeit verglichen mit dem Hass bildet sekundäre Antagonismen: Gleichgültigkeit als ein Ausdruck der Emotionslosigkeit, Hass als zerstörerisches Element, stehen sich gleichwohl nicht strikt diametral gegenüber, so doch nicht im völliger Diskordanz zueinander. Dass der Hass als destruktiv wirkendes Gefühl, der sinnstiftenden, belebenden Ausstrahlungskraft der Liebe entgegensteht, bedarf keiner Erwähnung. Gleichsam reihen sich die Liebe, die Gleichgültigkeit und der Hass in ein Dreiecksgebilde ein und untermauern schließlich die These, dass bestimmte Begrifflichkeiten nicht eindimensional betrachtet werden können. Wir werden nunmehr nach weiteren Beispielen suchen, welche die These belegen sollen.
 
Es bietet sich an folgende drei Begriffe, als die zu nennen wären, der Hochmut, der Gleichmut und die Sanftmut näher ins Auge zu fassen. Der Hochmut ist eine überdrehte Gefühlsregung, die im Übermaß in einem vorherrscht. Der Hochmütige ist rücksichtslos in seiner Neigung, und abfällig in seiner Regung, er nimmt nur ungern fremden Rat an, da er an seine Superiorität gewissenhaft glaubt, wobei ihm hiergegen vollends das Rückgrat fehlt. Der Gleichmut ist ebenso neutral, wie die bereits erwähnte Gleichgültigkeit, hierbei jedoch positiver konnotiert als ihre Vorläuferin. Der Gleichmut ist durch das Suffix „–mut“ in positiver Weise, als Beispiel für seine Wertschätzung, herangezogen. Die Sanftmut zeugt von einer liebevollen Ausgeglichenheit und einer geduldigen Gemütsart. Der Hochmut und die Sanftmut stehen sich wesensfremd gegenüber, der Gleichmut bildet das Bindeglied zwischen den beiden Begriffen, somit lässt sich auch hier eine Dreieckskonstellation konstruieren.
 
Nun wenden Wir unseren Blick auf den Stolz, die Ehrfurcht und den Übermut hin. Stolz ist ein hochwürdiges Gefühl eigener Überlegenheit, Ehrfurcht ist semantisch der Gegenpol dazu, und charakterisiert eine Obacht und Ehrerbietung gegenüber einem Subjekt, welche dem Stolz fehlen. Der Übermut ist eine gesteigerte Form des Stolzes, eng verwandt mit dem Hochmut. Im Vergleich zum Stolz ist der Übermut eine erhöhte Wesensart, die sich an keine Grenzen hält, und sich überschwänglich verabsolutiert. Die Ehrfurcht hat im Vergleich zum Stolz ein immanentes Minus, und ist an gewisse Leitmotive gebunden, welche den Gegenstand der Ehrzuweisung repräsentieren. Dabei stehen sich der Übermut und die Ehrfurcht diagonal gegenüber, welche zusammen mit dem Stolz eine Dreieckskonstruktion bilden.
 
Abschließend werden Wir uns keine sich gegenüberstehenden Begrifflichkeiten betrachten, sondern Begriffe, die eine explizit potenzierende Stellung einnehmen, nämlich der Hass, der Neid und die Missgunst. Über den Hass wurde bereits oben hinlänglich gesprochen, nun überblicken Wir den Begriff des Neides. Neid zielt in seiner Wesensart auf eine negative Richtung hin, wobei man nach dem Objekt der Begierde, welches einer anderen Person zugeschrieben wird, trachtet. Das Objekt braucht nicht notwendigerweise eine materielle Sache zu sein, in Betracht kommt sowohl eine charakterliche Eigenschaft. Neid ist dem Hass am Nahesten verwandt, quasi die Kehrseite des Medaillons. Die Missgunst korreliert mit beiden Begriffen und nimmt somit eine vermittelnde Stellung ein, sie erwächst aus dem Neid, als ein Gefühl des Nicht-Gönnens. Der vom Hass Befallene räumt seinem Gegenüber auch nichts ein, womit der Hass der Missgunst artverwandt wäre. Zusammen modellieren sie eine gedankliche Einheit, die ein Dreiecksgebilde hervorbringt.
 
Wie Wir richtig erkannt haben, entsteht bei den Gegensatzpaaren nunmehr eine Dreieckskonstruktion, die sich wechselseitig widerspiegelt. Sie kann als gegensätzlich wahrgenommen werden, aber auch als ergänzend, wiewohl wir es im letzten Beispiel zu Tage gefördert haben. Dies lässt sich hinreichend anhand weiterer Beispielen tatsächlich belegen. Ferner kann die Denkweise beliebig oft nachvollzogen werden, wobei ein Begriff mehrmals verwendet werden kann, was eine Überschneidung der Termini nach sich zieht. Letztlich entsteht aus der flächenmäßig eindimensionalen Dreiecksstruktur eine dreidimensionale Ketten- oder Helixstruktur.
 

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